Wissensökologie

Veranstalter
Gesellschaft für Medienwissenschaft / Institut für Medien, Gesellschaft und Kommunikation der Universität Innsbruck
Veranstaltungsort
Universität Innbruck, Universitätsstraße 15
PLZ
06020
Ort
Innsbruck
Land
Austria
Vom - Bis
22.09.2021 - 25.09.2021
Deadline
31.03.2021
Von
Petra Missomelius, Institut für Medien, Gesellschaft und Kommunikation, Universität Innsbruck

Die diesjährige GfM-Jahrestagung beschäftigt sich mit dem Thema "Wissensökologie" aus kulturhistorischer und medienwissenschaftlicher Perspektive. Sie findet vom 22. bis 25. September an der Universität Innsbruck statt. Der Call for Papers endet mit 31.03.21.

Wissensökologie

Seit der Pointierung des Begriffs ‚Ökologie‘ im 19. Jahrhundert durch Ernst Haeckel sind etliche begriffliche Akzentuierungen und zahlreiche Anwendungen derselben in den verschiedensten Feldern vorgenommen worden. Das betrifft nicht nur die Ökologie als Teildisziplin der Biologie und alltagsweltliche Diskurse im Kontext normativer Dimensionen des Umweltschutzes und Ideologien der Nachhaltigkeit, sondern auch Ökologie als Paradigma der Informations-, Kommunikations-, Sozial-, Literatur-, Kultur- und Medienwissenschaft. Der Begriff der Medienökologie ist seit Jahrzehnten Bestandteil medienwissenschaftlicher Diskurse und Teil der an Praktiken ausgerichteten Forschung. Arbeitsbereiche der kulturwissenschaftlich orientierten Medienwissenschaft bezeichnen ihre Reflexionsweise als ökologisch. Das Tagungsthema verbindet Perspektiven des Ökologischen mit dem in der Medienwissenschaft vermehrt in Anschlag gebrachten Begriff des Wissens, welcher oft recht unbestimmt bleibt. Ökologische Perspektiven im Umgang mit Wissen eröffnen vielgestaltige Möglichkeiten der Beschreibung, Analyse, Gestaltung und Kritik von Wissensformen, Wissensinhalten und Wissensdynamiken. Wissensökologie als fragile Sphäre setzt einen produktiven Impuls in der Reflexion von Medien.

Es bieten sich verschiedene medienwissenschaftliche Akzentuierungen des Themas Wissensökologie hinsichtlich einer medialen Ökologie des Wissens, ökologiebezogenen medialisierten Wissens und ökologischer Reformulierungen des Verhältnisses von Medien und Wissen an:

Konzeptionelle und metatheoretische Fragen
Der Begriff der Ökologie hat sich in seiner Ausweitung von der Biologie in die Soziologie, Politik und zivilgesellschaftliche Bewegungen von einer Wissenschaft zu einer ganzheitlichen Werthaltung mit unterschiedlichen, zum Teil auch widersprüchlichen, Aufladungen gewandelt. Welche Bedeutung hat dies in der Verbindung von Wissen und Information? Welche Aspekte der Erhellung und Verdeckung von Wissensinhalten und Wissensformen sind im Zusammenhang metaphorischer Übertragungen von Ökologiebegriffen relevant? Welche Gewinne und Verluste sind im Zuge theoriestrategischer Einsätze von Ökologie als Metapher zu verzeichnen? Wie lassen sich Bereiche der Daten-, Informations-, Wissens- und Medienökologie relationieren und an den Nahtstellen begriffsanalytischer und begriffspolitischer Interessen differenzieren?

Die ökologische Annäherung an Medien in der kulturwissenschaftlich orientierten Medienwissen-schaft fasst diese als technologische Konfigurationen, die fluide polyvalente menschliche und nicht-menschliche Handlungsinfrastrukturen konstituieren. Es stellt sich die Frage, welchen Status Wissen (von Körper und Technik) in diesen konvergierenden und fragilen Kontexten zukommt. Schließlich sind auch Wirkungen auf Konzepte der Subjektivität nicht von der Hand zu weisen.

Normativität und Normalisierung im Kontext wissensökologischer Zugänge
Die ökologische Neuformulierung des Verhältnisses des Menschen zu Medien und Wissen birgt in Analogie zu einer Orientierung an ökologischen Grund- und Normalwerten die Gefahr Normalitäts- und Normierungsdiskurse zu etablieren.

Die ethische Perspektivierung des Ökologischen impliziert das Versprechen auf eine Verbesserung gerechten Lebens. Damit fungiert das Ökologische nicht selten als Versprechen und posthumane ethische Hoffnung, auch in Fortschreibung der Ideen von sozialer Gerechtigkeit und gesellschaftlicher Utopie des Ecocriticism, der ökologischen Literaturwissenschaft.

Bedenkt man, dass der ökologische Zugang teilweise hinter die Aufhebung der Dualismen von Kultur und Natur zurücktritt, würde eine wissensökologische Herangehensweise etwa Bauchgefühl und Halbwissen nobilitieren? Mit den Austauschverhältnissen zwischen verschiedenen Wissenschaften und den nichtwissenschaftlichen Wissensformen treten jedenfalls zugleich vielfältige Formen der medialen Bedeutungsproduktion in den Blick.

Medialität und Medialisierung von Wissensprozessen
Die Mediengebundenheit historischer Wissensformen verdeutlicht die Medialität und Medialisierung von Wissen: von antiken Inschriften über Wunderkammern, Wissenschaftstheater des 19. Jahrhunderts bis zur Filmgeschichte, dem Computerspiel, der Infografik und der visuellen Evidenz der Virtual Reality sowie popkultureller Konfigurationen. Medien bedingen, was wir über die Welt wissen. Mediale Weltbilder übermitteln etwa kartografisches oder ökologisches Wissen zur Klimakrise. So formieren und strukturieren Medien unseren Um- und Zugang, aber auch die Generierung von Wissen. Mediale Formen und Formate verändern Menge, Geschwindigkeit, Verteilung und Richtung von Information. Zudem regeln sie, wer wie schnell Zugang zu wie viel Information hat. Inwiefern ist aus historischer, aber auch aus gegenwartsbezogener Perspektive eine Ökologie der Wahrnehmung und Aufmerksamkeit festzustellen? Wie lassen sich ko-kreative Wissensschöpfungsprozesse medienwissenschaftlich beschreiben? Welche Aushandlungsprozesse finden im Verhältnis von Wissen und dem Bild der Überforderungssituation durch Informations-, Daten- und Bilderflut statt?

Jenseits von Wissensmedien und Medienwissen implizieren mediale Strukturen, Apparate, komplexe Mediensysteme und Infrastrukturen eine mediale Grundierung von Wissensformen. Mit welchen impliziten und expliziten Wissensformen haben wir im Zuge von Datafizierung und Neuroenhancement zu tun?

Medienanthropologie und Wissensökologie
Wie verändert der Zugriff auf Online-Informationen, Datenbanken und Wissensreservoirs das Verständnis von Wissen? Was charakterisiert einen homo medialis in Zeiten des digitalen Kapitalismus? Welche Rolle spielen dabei die Zukunftsversprechungen der synthetischen Biologie und des Transhumanismus und wie lassen sich verhaltensgenetische, informations- und biopolitische sowie kritisch-reflexive Zugänge modellieren und kontrastieren? Welche Perspektiven der Medien-anthropologie eröffnen sich im Spannungsfeld datenökonomischer Verwertung und Forderungen nach einem digitalen Humanismus? Ist in medientechnologischen Verflechtungen das Auftauchen neuer Wissensgegenstände konstatierbar? Es kann festgestellt werden, dass Wissen nicht mehr nur als Fach-, Nicht-, Halb- oder Laienwissen dem Menschen zugeordnet, sondern durchaus auch Nicht-Menschlichem attestiert wird. Die Analyse dieser Konfigurationen lässt uns Brüche und Schwellen von Epistemologisierung erkennen, Prozesse der Formalisierung, Austauschverhältnisse, Inhalts- oder Zuordnungsverschiebungen beobachten.

Wissensökologische Praktiken und Ästhetik
Die wissensökologische Perspektive fragt nach medienkulturellen Voraussetzungen und Austauschbeziehungen verschiedener Formen der Wissensproduktion, -rezeption und -distribution. Medien¬materialistisch sind die Praktiken im Umgang mit Medien und Techniken von besonderem Interesse. Lassen sich einerseits mediale Apparate als Wissensmanifestationen lesen, so können andererseits Praktiken des Mediengebrauchs als kulturtechnische Wissensformen betrachtet werden. Ebenso können Ästhetiken, medienkünstlerische Herangehensweisen und auf Wahrnehmung sowie Sensorik ausgerichtete wissensökologische Beobachtungsperspektiven fruchtbar gemacht werden.

Wir freuen uns über Einreichungen bis 31.3.2021 über die Conftool-Website: https://www.conftool.pro/gfm2021/ zu einem der folgenden 5 Formate:
#Diskutieren (Diskussionspanel)
#Beobachten (Arbeit an Materialien)
#Präsentieren (Panel mit 3 Einzelvorträgen)
#Austauschen (2 Präsentationen und dazu zwei Stellungnahmen von Critical Friends)
#Improvisieren (Offenes Format: die Einladung internationaler und interdisziplinärer Gäste; Projektidee; wanderndes Panel, Performance, Meditation, medienpraktische Ideen usw. sind hier möglich)

Die Website der Tagung finden Sie hier: http://gfm2021.at. Für Rückfragen wenden Sie sich bitte jederzeit an gfm2021@uibk.ac.at.

Programm

Wird über die Tagungswebsite http://gfm2021.at im Sommer veröffentlicht.

Kontakt

gfm2021@uibk.ac.at

http://gfm2021.at
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